Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Kriegsendes am 8. Mai

Zeitzeugen und Experten erläutern Schülern der 10. Klassen die Bedeutung des 8. Mai

Anlässlich des 80-jährigen Jubiläums des Ende des Zweiten Weltkrieges fand am historischen Datum ein bewegendes Gedenken statt. Während der zweistündigen Veranstaltung, die von den 10. Klassen im Geschichtsunterricht vorbereitet und in der Aula gestaltet wurde, kamen die Schüler mit Zeitzeugen und historischen Experten ins Gespräch.

Der Zeitzeuge Martin Böttcher berichtete eindrucksvoll, wie er mit knapp 8 Jahren aus Ostpreußen mit seinen Geschwistern und seiner Mutter vor den herannahenden Russen größtenteils zu Fuß fliehen musste und schließlich auf Umwegen nach Paderborn kam. Auf seiner Flucht konnte er nur einen Schulranzen, in den er seine Spielzeugeisenbahn verstaute, mitnehmen. Das restliche Gepäck der Familie lagerte auf einem Bollerwagen. Schulranzen und Bollerwagen hatte der heute 89jährige ehemalige Lehrer mitgebracht und veranschaulichte hiermit, was es bedeuten musste, den Großteil seines Hab und Guts aufzugeben und große Strapazen einer Flucht ertragen zu müssen. Aus Kindersicht sei die Flucht eine Art "Abenteuer" gewesen, erzählte der Zeitzeuge, für seine Mutter dagegen sei es wahrlich "schrecklich" gewesen.

Der Paderborner Zeitzeuge Rolf Mertens erzählte, wie er die Bombardierung Paderborns als Vierjähriger in einem Rübenkeller zwischen Dahl und Schwaney erlebt habe. "Die Bombardierung ist meine allererste Erinnerung, die ich überhaupt habe. Wie ich am Himmel die vielen Bomber sehe und die Stadt rot und schwarz brennt. Beim Feuerwerk an Libori muss ich immer noch daran denken." Dann berichtet er von der Nachkriegszeit, wie sein Vater in einem der wenigen noch stehenden und zerstörten Häuser mitten in der Innenstadt als Zahnarzt praktizierte und wie seine Familie schließlich ein Grundstück am Kamp erwarb und nach und nach wie viele andere Paderborner auch ein eigenes Haus erbaute.

Immer wieder wurde auch während der Befragung der Experten deutlich, wie verschieden das Kriegsende erlebt wurde. Herr Dr. Neuwöhner vom Stadtmuseum Paderborn schilderte wie für die meisten Menschen in der Region der Krieg vorher zu Ende war, da die US-Amerikaner bereits am 1. April 1945 den Kreis Paderborn erobert und befreit hatten. Dennoch setzte sich das Leiden für viele auch nach der Befreiung fort, sagte Frau Schrader-Bewermeier von der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Paderborn. Sie erklärte, dass insbesondere die displaced persons (DP) meist völlig orientierungslos gewesen seien und viele KZ-Häftlinge zum Teil als einzige aus ihrer Familie überlebt hätten. Auch nach ihrer Befreiung seien viele Häftlinge an Krankheiten oder daran gestorben, dass sie völlig ausgezehrt, viel zu schnell ihren Hunger hätten stillen wollen. Die unterschiedlichen Perspektiven und vielfältigen Facetten des 8. Mai – Freude wegen der Befreiung, aber auch Trauer, angesichts persönlicher Verluste, Vertreibung, Hunger, Wohnungsnot und Unsicherheit - ermöglichten den Schülern ein umfassendes Verständnis für die historischen Zusammenhänge.

Der Historiker Prof. Dr. Fäßler von der Universität Paderborn betonte, dass der 8. Mai sicherlich als Tag der Befreiung gesehen werden könne. Doch für viele Deutsche, die bis zuletzt das Hitler-Regime unterstützt hätten, sei das Kriegsende auch mit einer großen Unsicherheit verbunden gewesen, denn sie wussten nicht, wie mit ihnen angesichts ihrer Verantwortung für all das entsetzliche Leid umgegangen werden würde. An der berühmten Weizsäcker-Rede von 1985 erläuterte er: "Die Rede thematisiert nicht die Verantwortung der Deutschen für den Krieg und die Kriegsverbrechen."

Zum Abschluss des Podiumsgesprächs appellierte Martin Böttcher an die Schülerinnen und Schüler: "Lasst nicht zu, dass übersteigerter Nationalismus und Rassismus wieder Überhand gewinnen." und "Fragt eure Großeltern und Urgroßeltern und hört Ihnen gut zu, solange Sie euch noch berichten können."

Am Ende der Veranstaltung schenkte der Zeitzeuge Rolf Mertens dem Gymnasium, an dem er selbst 1961 sein Abitur ablegte, ein von ihm gemaltes Gemälde, das das zerstörte Paderborn vom Kamp aus zeigt. In der Aula des Theodorianum an der Wand, die sogar die Blickrichtung aufgreift, wird es nun seinen Platz finden und die Gegenwärtigen mahnen, nicht zu vergessen und sich für Frieden, Freiheit und Demokratie einzusetzen.